Sonntag, 21. Juni 2009

Die HipHop Kultur in Deutschland - Ist sie noch zu retten?

Spricht man von HipHop so findet man in der heutigen Zeit eine sehr gespaltene Meinungen. Oft wird der HipHop von der älteren Generation mit vielen negativen Assoziationen verbunden, während die jüngeren seinen scheinbar „schlechten“ Einfluss genießen feiern und ausleben. In der klassischen Betrachtung der HipHop Kultur ist auch dies nichts ungewöhnliches, jedoch bekam der „schlechte Einfluss“ dort eine andere Definition. Schaut man in die Kinderschuhe der (wohl bemerkt) deutschen HipHop Kultur, so wird sie symbolisiert durch einen fröhlichen, lässigen Lebensstil, indem der Ernst verhöhnt und das Leben auf die Schippe genommen wird. Im Vordergrund stand die Kunst des Lebens, indem man Pflichten spielerisch mit Party, Musik, Tanzen und Chillen zusammenlegte und man sich somit ein gewisses Freiheitsgefühl verschaffte. Man pflegte ein friedliches Zusammensein und einen offenen Umgang während man Kreativität und Gedanken freien Lauf lies. Und genau das war der Inhalt der Texte die sich Deutschrap-Pioniere aus den Fingern saugten und womit sie zahlreiche neue Anhänger warben.


Leider trug HipHop auch eine negative Seite, die in den letzten Jahrzehnten immer mehr Oberhand gewann. Der drang des Menschen sich zu Messen und sich zu behaupten, fasste im HipHop Fuß und das Battle bekam nicht nur im Rap sondern auch im Tanzen und Malen immer mehr Beachtung. Beim RapBattle stehen sich zwei Kontrahenten gegenüber und tragen eine Art lyrischen Kampf aus, indem auf der Bühne Reime frei Hand auf den Beat gelegt werden, wobei der Gewinner am Ende vom Publikum gewählt wird. Dieser Prozess lief früher wesentlich friedlicher ab und man feierte danach zusammen. Heut zu tage führt es zu anhaltenden Antipathien zwischen den Parteien. Beim Grafitti konkurrieren sich Künstler meist durch die Anzahl der geschaffenen Werke. Im letzten Jahrzehnt sind jedoch auch dort die Regeln rauer geworden. Das Crossing (übermalen von Werken) befeindeter Grafitti-Crews wurde zum Kriegszug vieler Writer. Man hörte auf die Werke eines anderen zu schätzen oder gar zu respektieren. Dies hatte zur Folge, dass die deutsche HipHop-Community, wie man sie einst kannte, sich in viele kleine Teile spaltete. Die Gemeinschaft teilte sich in Crews und deren Anhänger auf. Das wiederum trug mit sich, dass sich ebenfalls Writer und Rappern, Rapper und Bboys und Bboys und Wirter voneinander trennten. Jeder blieb unter sich und zelebrierte nur noch die eigenen Werke, die Werke der Vorbilder oder die der eigenen Crew. Die deutsche HipHop Szene scheint somit mit der Zeit gespalten worden zu sein.

Da Bboying und Grafitti mit zunehmender Zeit an Gewichtung im HipHop verloren und nur schwer zu erörtern sind, greifen wir hier den deutschen Rap als Beispiel zur Erörterung der Ursachen für die Entwicklung heraus. Psychologisch betrachtet kann man hier weit umher greifen. Beginnen muss man bei der Analyse der Texte. Wie oben erwähnt gab es früher größtenteils friedlichere Texte, wobei im letzten Jahrzehnt Gangsterrap Texte, Battlerap-Texte, und diskriminierende Texte Oberhand gewannen. Rapper der heutigen Zeit würden sagen, dass Rap sich in Deutschland als Sprachrohr der Straße entwickelt hat, und dass sie lediglich die allgemeine Lebenssituation in der sie Leben erörtern und kritisieren. Das entstandene Leid und der allgemeine Hass spiegelt sich in der Musik wieder. Kritisch betrachtet gab es sicherlich in Relation von Anfang des Deutschraps bis Jetzt eine leichte Verschlechterung der Lebenssituation in der Unterschicht der deutschen Bevölkerung, jedoch kann man diese nicht unbedingt als so gravierend definieren, wie sie in vielen Texten dargestellt wird. Denn oft wird maßlos übertrieben. Vermutlich geschieht dies, um das eigene Ich als „cooler“ rüberkommen zu lassen, um sich so von den vielen anderen Leidensgenossen abzuheben. Ebenso kommt dadurch eine Imaginäre Wertsteigerung zustande. Viele solcher Rapper drängen sich dadurch in ein Scheinleben, in der sie ihre Pflicht und ihre Möglichkeiten, die sie durch viel Schweiß wahrnehmen könnten verdrängen. Der moderne Rap scheint somit eine Szene gebildet zu haben, in der man einfach seinen Schweinehund freien Lauf lassen kann und in der man eine Ausrede für alles bekommt, was man selbst nicht in der Lage ist zu schaffen. Diese Ausrede äußert sich meist in Form von Aggression, die sich durch Neid in einer selbst definierten Opferrolle entwickelt. Dieses Phänomen scheint zumindest für mich als plausible Erklärung für die zunehmende Anzahl der gewaltverherlichenden Musikstücke, von Künstlern, die ihr Image in eine imaginäre Ghettogangstersituation, im Kampf um Drogen und Nutten stellen, obwohl sie selber ein eher langweiliges, sozial abgesichertes Harz 4 Leben in einer Sozial schwächeren Gegend führen.

Nun mag ich aber ungern rationalisieren und alle in einen Sack stecken. Denn gewiss gibt es auch einen großen Teil, der sich von dem fast schon überzogen klingendem negativ Beispiel abhebt. Es gibt ebenso moderne HipHopper die Aggro und BattleRap feiern, aber dennoch den unterschied zwischen Realität und Entertainment im Auge behalten und nicht gleich anfangen jeden anzupöbeln und zu hassen. Ebenfalls gibt es Rapper die Studieren und ein klares Ziel verfolgen und Rap nur als Ausgleich betreiben, was ein interessanter Punkt bei der Analyse der negativ Entwicklung des deutschen HipHops bietet. Denn assoziiert mit dem zuerst definierten negativ Beispiel sind es erneut die gestiegenen sozialen Anforderungen in der heutigen Zeit. Rap dient also auch bei der etwas höheren Schicht als Ventil für Stress und Aggressionen. Schlussfolgernd bleibt also nur die Frage des richtigen Umgangs mit dieser Musik. Und genau dieser Umgang ist es, der zugleich der HipHop Kultur im letzten Jahrzehnt schadete, da er falsch gehandhabt wurde. Man nahm Raptexte und ihre Aussagen zu ernst. Es reichte auf einmal nicht mehr aus sich von der Masse abzuheben, man musste sie ebenfalls Provozieren, indem man Lyrics wahr machte, was letztendlich eine unhandlebare Ausmaße an nahm.

Doch nicht jeder beugte sich der Entwicklung. Betrachtet man die deutsche HipHop Szene nun im ganzen, so sehen erfahrene Augen verschiedene Untergruppen, die sich wie eine Art Genre im HipHop verteilen, wobei es zwei starke Fronten gibt, die man eindeutig definieren kann. Zum einen gibt es die Anhänger des neu modernen HipHops, die meist in der etwas jüngeren Altersklasse zu finden sind und zum Anderen den eingefleischten true-HipHop Kern, dessen Anhänger sich auf das alt bewerte Rezept berufen. Diese sind meist schon etwas älter und haben ein soziales Standbein mit Familie und Kindern gebildet, während sich die NewHipHop Anhänger meist noch auf der Suche befinden und sich in der heutigen, schnelllebigen Zeit mit direkten Protest und ungescheuter Meinungsäußerung noch austoben wollen bzw. sich noch auf der Suche nach einem gemanagten Leben befinden. Vielleicht geht die Welle der Aggression im HipHop bald vorüber, jedoch ist höchstwahrscheinlich eher das Gegenteil zu vermuten, da sich die verschiedenen Gesellschaftsschichten immer weiter voneinander Entfernen und die Provokation für sozial schwächere immer mehr Bedeutung bekommt.

Bleibt nur die Hoffnung, dass sich der Kern des wahren HipHops wieder belebt und nicht komplett untergeht. Wenn die Gesellschaft den modernen HipHop in Deutschland nicht mehr als ganzes betrachtet, sondern zumindest zwischen klassischen und modernen unterscheidet, so gibt es noch eine Chance die Kultur zu erhalten wie sie früher definiert wurde.

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